Schreiben an die Untere Umweltschutzbehörde

Sehr geehrte Damen und Herren,

das Stadtplanungs- und Bauordnungsamt der Stadt Bochum stellt zurzeit den Bebauungsplan Nr. 946 Ehem. Bahnhof Weitmar auf. Der bisherige Entwurf des Bebauungsplans vom 06.06.2014 enthielt u.a. hinsichtlich der Altlastenproblematik des Standorts massive Risiken für die Gesundheit der Anwohner, auf die wir die Stadt Bochum wiederholt aufmerksam gemacht haben (vgl. Einwendung 12 in Anlage 1). Der aktualisierte Bebauungsplanentwurf vom 03.03.2015 hat diese Situation nun noch verschärft.

Mit Schreiben vom 15.02.2015 stellten wir dem Umweltamt Bochum drei Fragen zum Gesundheitsschutz der Anwohner. Zu unserem Befremden erhielten wir statt einer Antwort vom Umweltamt Bochum eine Stellungnahme des Stadtplanungs- und Bauordnungsamtes der Stadt Bochum, die unsere Befürchtungen leider bestätigt. Deshalb wenden wir uns an Sie, die Untere Umweltschutzbehörde, als einen im Bebauungsplanverfahren zu beteiligenden Träger öffentlicher Belange, mit der Bitte, das Umweltamt Bochum bei der Durchsetzung geltender Regelwerke und geeigneter Maßnahmen zur Sicherstellung des Gesundheitsschutzes der Anwohner gegenüber dem Stadtplanungs- und Bauordnungsamt der Stadt Bochum zu unterstützen.

Bitte lesen Sie nach Durchsicht der Anlagen 1-4 unsere nachfolgende Stellungnahme zu den Antworten des Stadtplanungs- und Bauordnungsamtes zu den Themen (1.) Asbestbelastung des Bahnhofsgebäudes, (2.) unzureichende Untersuchung der BTEX-Kontaminationen des Bahnhofsgeländes und (3.) Errichtung einer Deponie im Wohngebiet.

Zu 1. Asbestbelastung des Bahnhofsgebäudes

Das Stadtplanungs- und Bauordnungsamt legt u.a. in seinem Schreiben vom 23.02.2015 fest, dass die erwiesene Asbestbelastung nicht Gegenstand des B-Plan-Verfahrens Nr. 946 ist. Gleichzeitig soll aber in diesem B-Plan festgelegt werden, dass die u.a. asbestbelasteten Abbruchmaterialien vor Ort gebrochen und zur Geländemodellierung wieder eingebaut werden können.

Anschließend argumentiert das Stadtplanungs- und Bauordnungsamt dann im Detail, dass „in geringem Umfang Abbruchmaterialien anfallen, die Gefahrstoffe enthalten“, verschweigt dabei aber bewusst, dass es sich bei der Entfernung/Sanierung des Asbests gemäß TRGS 519 nicht um Arbeiten geringen Umfangs handeln wird, worauf wir bereits mit Schreiben vom 07.05.2014 detailliert (s. Anlage 4) hingewiesen haben. Demnach muss das Bahnhofsgebäude gemäß TRGS 519 vor dem Abbruch asbestsaniert werden, um die Gesundheit der unmittelbar benachbarten Anwohner (22 Familien mit 18 Kindern) zu schützen! Die Asbestsanierung muss im städtebaulichen Vertrag verbindlich geregelt werden und ist zuvor im B-Plan eindeutig zu dokumentieren.

Der Verweis des Stadtplanungs- und Bauordnungsamts auf das spätere Genehmigungsverfahren ist angesichts der vorliegenden Konfliktsituation zynisch, denn genau dieses Amt ist doch die spätere Genehmigungsbehörde! Hier böte sich doch die Chance, zur Vermeidung von Gesundheitsrisiken für die Anwohner und auch von Kostenrisiken für die Investoren klare Festlegungen zu treffen.

Unser Fazit zu 1: Die Formulierungen des Stadtplanungs- und Bauordnungsamtes zielen darauf, eine fachgerechte Asbestsanierung vor dem Abbruch zur Kostenersparnis der Investoren auf Kosten der Gesundheit der Anwohner zu verhindern, was wir nach unseren bisherigen Erfahrungen mit den Beteiligten des Bebauungsplanverfahrens ggf. als Beihilfe zur vorsätzlichen Körperverletzung zur Anzeige bringen werden.

Zu 2: Fehlende BTEX-Untersuchungen

Die knappe Antwort des Amtes vom 23.02.2015 und auch der aktualisierte B-Planentwurf vom 03.03.2015 bestätigen erneut, dass es bisher nur unzureichende Untersuchungen auf BTEX im Untergrund des ehemaligen Bahnhofsgeländes gibt und im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens auch keine Anstrengungen unternommen werden sollen, diese zur Sicherstellung des Gesundheitsschutzes (Wirkungspfad Boden-Mensch) sowie des Gewässerschutzes (Wirkungspfad Boden-Grundwasser) durchzuführen.

Hier greift also noch immer die unbeantwortete Kritik der Bürgerinitiative Bahnhof Weitmar (vgl. Einwendung 12 in Anlage 1), dass nur Bodenluftuntersuchungen in den stark geklüfteten und somit durchlässigen natürlichen Gesteinen (Tonschiefer, Sand- und Siltsteine des Karbon) unter dem Lockermaterial des Gleisbereichs Aufschluss über die wahrscheinlichen BTEX-Kontaminationen der Kriegsjahre (Bombardierung von Kesselwagen der Kokerei Prinz-Regent) erbringen können, wo bisher noch gar keine Boden- bzw. Bodenluftuntersuchungen auf BTEX durchgeführt worden sind.

Unser Fazit zu 2: Die bisher durchgeführte Analytik auf die krebserregenden bzw. neurotoxischen Stoffe BTEX ist absolut unzureichend für die Aufstellung des Bebauungsplans und muss durch eine umfassende Untersuchung der Bodenluft im Festgestein des gesamten Bahnhofsgeländes unterhalb der lockeren Böden ergänzt werden, um Gesundheitsrisiken für die zukünftigen Anwohner auszuschließen.

Zu 3: Errichtung einer Deponie – Beispiel Bebauungsgebiet Franziskusstraße

Das Stadtplanungs- und Bauordnungsamt der Stadt Bochum stellt in seinem Schreiben vom 23.02.2015 zunächst einmal erneut fest, dass „alle belasteten Bodenbereiche entfernt, überbaut und mit sauberem Boden überdeckt“ werden sollen, was wir ausdrücklich begrüßen. Der angeblichen Sicherstellung einer „uneingeschränkten Nutzung als Wohngebiet“ müssen wir jedoch massiv widersprechen, wenn nachfolgend „Bodenaushub angeliefert bzw. eingebaut wird, der die Zuordnungswerte Z 1.2 der Technischen Regel LAGA Boden“ einhält. Dies ist unzulässig aus folgenden Gründen:

  1. Die im Antwortschreiben des Stadtplanungs- und Bauordnungsamtes genannte Zuordnungsklasse Z 1.2 der Technischen Regel LAGA Boden entspricht aus abfallrechtlicher Sicht nicht dem Stand der Technik. Mit Datum vom 17.09.2014 wurde per Ministerialerlass die Anwendung der LAGA M20 (2004) für das Auf- und Einbringen von Materialien außerhalb von technischen Anwendungen empfohlen.
  2. Im aktuell vorliegenden Entwurf des B-Plans 946 vom 03.03.2015 sind nun gar keine Vorgaben mehr für die zur Geländemodellierung benötigten Materialien enthalten. Lediglich die Oberflächenabdeckung mit mind. 0,6 m Boden, der die Vorsorgewerte der BBodSchV bzw. Z 0 einhält sind noch vorgegeben. Hier ist zu befürchten, dass darunter dann sogar Material > Z 2 eingebaut wird. Außerdem vermissen wir den verpflichtenden Einbau eines Geovlieses als Grabesperre gemäß Altlastenerlass.
  3. Sollte keine Festlegung im Bebauungsplan erfolgen, müsste das gesamte B-Plan-Gebiet eine qualifizierte Basisabdichtung zwischen den angelieferten Böden und dem klüftigen Untergrund erhalten wie es bei Deponiebauwerken Pflicht ist und bereits im benachbarten Bebauungsgebiet Franziskusstraße erfolgt. Zudem müssten die zukünftigen Anwohner in verständlicher Weise – und nicht im Kleingedruckten – über die Nachteile und Risiken des Wohnens auf einer Deponie für kontaminierte Böden aufgeklärt werden.
  4. Die aktuelle Ausfertigung des B-Planentwurfs sieht zwar den Schutz des Ober- und auch Unterbodens durch entsprechendes Aufmieten und Einsäen vor, aber es wird immer noch nicht die im RFNP ausgewiesene Schutzwürdigkeit der natürlichen Böden im Bereich des Nordwaldes berücksichtigt. Weder werden diese Böden auskartiert, noch werden sie in der Kompensation berücksichtigt.

Unser Fazit zu 3: Schon die Anwendung der LAGA 1997 würde für die zur Geländemodellierung notwendigen extern anzuliefernden Böden (ca. 28.000 m³ zzgl. der zuvor ausgekofferten Bodenvolumina) u.a. dreifach höhere Kontaminationen mit krebserregenden BTEX und sogar fünffach höhere Kontaminationen mit krebserregenden PAK ermöglichen, als die per Ministerialerlass empfohlene LAGA M20 2004. Eine Deponie als zusätzliches Geschäftsmodell für die Investoren – Pech für die zukünftigen Anwohner, die mit solchen Sachverhalten nicht vertraut sind?

Zusammenfassend stellen wir erneut fest, dass das Stadtplanungs- und Bauordnungsamt der Stadt Bochum in vollem Bewusstsein sämtlicher Risiken ausdrücklich kein Bekenntnis zum Gesundheitsschutz der heutigen und zukünftigen Anwohner des B-Plan-Gebiets Nr. 946 ablegt, sondern im Gegenteil bewusst gegen den Stand der Technik verstößt, um zusätzliche wirtschaftliche Anreize für die Investoren zu schaffen. Die hier gezeigte Rücksichtslosigkeit gegenüber den heutigen und zukünftigen Anwohnern zieht sich bedauerlicherweise durch das gesamte Bebauungsplanverfahren Nr. 946.

Wir bitten die Untere Umweltschutzbehörde deshalb, im Rahmen der hier dargestellten Teilaspekte Gesundheitsschutz und Altlasten des B-Planverfahrens Nr. 946 Ehemaliger Bahnhof Weitmar als Träger öffentlicher Belange aktiv zu werden und das Umweltamt Bochum zu stärken, das sich gegen den Druck des Stadtplanungs- und Bauordnungsamts offenbar nicht durchsetzen kann.

Mit freundlichen Grüßen

Die Bürgerinitiative Bahnhof Weitmar

Bochum, den 15.03.2015

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